Flight Levels einführen in 8 Schritten: Der Quick Start Guide

 
Du bist auf das Denkmodell der Flight Levels gestoßen und findest den Ansatz für Euer Unternehmen interessant? Vielleicht habt Ihr sogar schon Erfahrung mit Kanban? Perfekt! Da das Flight-Levels-Denkmodell noch recht jung ist, gibt es allerdings recht wenig Best Practices, an denen sich Unternehmen orientieren können, wenn sie Flight Levels einführen möchten. Wie fängt man also am besten an? Welche Schritte gewährleisten den bestmöglichen Erfolg? Gibt es eine Flight Levels Anleitung?
 
Dr. Klaus Leopold
Wenn der Zielzustand die Agilität ist, sollte bereits der Weg dorthin agil sein!
Dr. Klaus Leopold“Erfinder” der Flight Levels
 
Das Modell der Flight Levels beruht auf Prinzipien, Praktiken und Werten von Lean und Agile. Auch für das Arbeiten mit Flight Levels kann es deshalb keinen Wasserfall-Projektplan geben. Jede Lernreise einer Organisation ist hoch individuell und kann oft nur schrittweise zum Erfolg geführt werden: Ein Schritt vor. Lernen. Ein Schritt zur Seite oder gar wieder zurück. Lernen usw. Oder anders ausgedrückt: Es ist unmöglich, im Detail alle Schritte für das nächste Jahr aufzulisten und am Ende mit einem Erfolgsmeilenstein “Flight Levels eingeführt” abzuhaken.

Nichtsdestotrotz haben sich einige Schritte bewährt, wenn man Flight Levels einführen und anwenden möchte. Der “Quick Start Guide” fasst meine Learnings aus zahlreichen Flight-Levels-Projekten kompakt zusammen und gibt Euch eine praxisnahe Flight Levels Anleitung in 8 Schritten an die Hand – ganz konkret.

 
 
 

Step #1: Verstehe die Ausgangssituation und definiere die zu lösenden Probleme!

 
 
Zuallererst ist es wichtig, dass Du die Ausgangssituation im Unternehmen verstehst. Nur so kannst Du die Probleme ableiten, die mit Flight Levels gelöst werden sollen.
 
  • Mach Dir ein Bild vom Ist-Zustand: Um welchen Teil der Organisation handelt es sich? Wie groß? Anzahl der Leute? Wie wird dort momentan gearbeitet? Wo? Meetings? Rollen? Artefakte?
 

FLIGHT LEVELS EINFÜHREN – MEIN TIPP:

Es ist wichtig den Ist-Zustand zu verstehen, aber übertreibe es nicht und stecke keinen wochenlangen Aufwand hinein. Finde das richtige Maß!

 
  • Erarbeite ein glasklares Bild der Probleme, die gelöst werden sollen: Was läuft gut? Womit sind wir zufrieden? Was soll besser werden? Welche(s) Problem(e) sollen gelöst werden?
  • Definiere die Probleme so spezifisch wie möglich. Vermeide (zu) generische Problemdefinitionen! Zwei Beispiele:
  • Problemdefinition: “Fehlende Transparenz”

Schwachpunkt: Wie soll später beurteilt werden, ob die Transparenz besser geworden ist?

Tipp: Bohre nach! Wer (Personen, Teams?) vermisst welche Info genau? Wann würde er/ sie sagen: Jetzt habe ich genug Transparenz?

 
  • Problemdefinition: “Die Teams suboptimieren sich und Abhängigkeiten werden nicht gemanagt”.

Schwachpunkt: Wie soll später beurteilt werden ob das Management von Abhängigkeiten tatsächlich Mehrwert erzeugt hat?

Tipp: Bohre nach! Welche Teams sind daran beteiligt? Warum sprechen sie nicht miteinander, was ist die Ursache? Was ist die Folge, dass die Abhängigkeiten nicht gemanagt werden? Welches Ziel soll mit dem Management von Abhängigkeiten erreicht werden (z.B. Reduzierung der “Time to market”)?

  • Erfahrungsgemäß gibt es immer zu viele Probleme gleichzeitig. Priorisiere deshalb die Probleme eindeutig!
 

Step #2: Mach Dich mit Kanban und Flight Levels vertraut!

 
 
Um mit Flight Levels zu arbeiten, brauchst Du einige Basics zu Kanban. Wer Flight Levels einführen möchte, sollte die Kanban-Philosophie verstehen und die Prinzipien und Praktiken moderner Kanban-Konzepte kennen. Darauf aufbauend kannst Du Dich in das Flight-Levels-Denkmodell einarbeiten.
 
  • Lies Dich ausführlich ein – einige empfehlenswerte Bücher und Artikel habe ich für Dich zusammengestellt.
  • Tausche Dich mit Praktikern aus, die bereits mit Flight Levels arbeiten!
  • Besuche ein Flight-Levels-Training!
  • Auch in meinen Blogartikeln findest Du ausführliche Informationen zu Flight Levels und eine knappe Zusammenfassung von Kanban.
 

Step #3: Entscheide, mit welchem Flight Level Du loslegen willst!

 
 
Mit dem Wissen aus Step #1 und Step #2 kannst Du loslegen und eine erste Version Eurer Flight-Level Architektur entwerfen. Einige Anhaltspunkte, die Dir dabei helfen:
 

Flight Level 1

 
  • Welche Teams gibt es auf Flight Level 1? Das entspricht (sehr oft) dem Ist-Status der Teamaufstellung, egal ob diese funktional entsprechend dem Organigramm oder cross-funktional ist.
  • Beispiel: SW-Team 1, SW-Team 2, QM-Team, Marketing-Team etc.
 

Flight Level 2

 
  • Warum arbeiten die Teams zusammen, um was zu erreichen? Um welche “end-to-end coordination(s)” geht es?
  • Handelt es sich um einen Wertstrom (Value Stream), z.B. für neue Produkte von Marketing über R&D bis Sales? Oder gibt es andere Gründe für eine teamübergreifende Zusammenarbeit, z.B. die Sicherstellung von Betrieb und Wartung – mit spezialisierten Teams, die kooperieren müssen, um ihr Ziel “zufriedene Kunden” zu erreichen?
  • Es kann mehrere Flight Level 2-Boards geben.
  • Beispiel: “Produktentwicklung und -Launch neue Küchenmaschine”, “Betrieb und Wartung Cloud Storage”
 

Flight Level 3

 
  • Hier wird die Strategie-Definition, Umsetzung und Erfolgsmessung dargestellt.
  • Je Organisation oder Organisationseinheit gibt es typischerweise nur 1 Board (bei sehr großen Organisationen eventuell mehrere Boards.
  • Beispiel für einen Automobilhersteller: “Nutzfahrzeuge”, “PKWs”
 

FLIGHT LEVELS EINFÜHREN – MEIN TIPP:

Es ist wichtig den Ist-Zustand zu verstehen, aber übertreibe es nicht und stecke keinen wochenlangen Aufwand hinein. Finde das richtige Maß!

 
Jetzt kannst Du Dich entscheiden, mit welchem Flight Level Du starten willst. Das ist oft nicht einfach – du kannst Dich mit verschiedenen Fragestellungen an die richtige Antwort herantasten:
 
  • Reflektiere die Erkenntnisse von Step #1: Wo ist der Leidensdruck am größten? Welches Flight-Level ist am besten geeignet, um das wichtigste Problem zu lösen?
  • “Leadership Support”: Wo ist der Wille für Veränderung und die Unterstützung dafür groß? Welche Teams sind offen und bereit, mitzumachen?
  • Welches Flight Level bietet den größten Verbesserungshebel? Je höher das Flight Level, desto größer der Hebel: Auf Flight Level 3 wird entschieden, ob Produkte oder Services neu gestartet oder eingestellt werden. Flight Level 2 ermöglicht teamübergreifende Verbesserungen. Flight Level 1 konzentriert sich auf die operative Arbeit in konkreten Teams.
 

Step #4: Definiere für dieses Flight Level: Dein Board, die Meetings und die Interaktionen zwischen den Flight Levels!

 
 
Nun geht es darum, das Board detailliert auszugestalten, inklusive Meetings und Verbindungen zu anderen Flight Levels. 

FLIGHT LEVELS EINFÜHREN – MEIN TIPP: Führe einen STATIK-Workshop durch (Systems Thinking Approach To Kanban) – ein definierter Prozess, der hilft zu verstehen, wie sich eine Organisation als Ganzes verhält, statt isolierte Komponenten zu analysieren. Mehr über STATIK erfahren


Boards dienen dazu, Transparenz zu schaffen und die auf dem Board gesammelte Arbeit zu strukturieren. Aber ohne Kommunikation generieren sie nur einen geringen Mehrwert! Kanban ist reine Kommunikation, deshalb sind Meetings – die sogenannten “Feedback Loops” – essentiell. 

 

Typische (Kanban-) Meetings:

 
  • (Daily) Standup Meetings, Replenishment Meeting, Retrospektiven (auf allen Flight Levels empfohlen)
  • Release-Planungsmeeting, Operations Review (auf Flight Level 2 und 3 evaluieren, ob sinnvoll)
 
Überlege außerdem, wie die Arbeit (Work Items) zwischen den Levels verbunden ist, also zwischen Level 1 und Level 2 bzw. zwischen Level 2 und Level 3:
 
  • Bottom up: Was von Flight Levels 1 finde ich (typischerweise in aggregierter Form) wieder auf Flight Levels 2? Was von Flight Levels 2 finde ich (typischerweise in aggregierter Form) wieder auf Flight Levels 3? Wie genau?
  • Top down: Was von Flight Levels 2 finde ich (typischerweise in detaillierterer Form) wieder auf Flight Levels 1? Was von Flight Levels 3 finde ich (typischerweise in detaillierterer Form) wieder auf Flight Levels 2? Wie genau?
  • Wie wird die Kommunikation zwischen den Flight Levels sichergestellt? Meist werden dazu KEINE zusätzlichen Meetings benötigt. Der Schlüssel ist die Beantwortung der Frage: Welche Teammitglieder aus Flight Levels 1 nehmen an welchem Meetings auf Flight Levels 2 teil um den Informationsfluss sicherzustellen? Und welche Teammitglieder aus Flight Levels 2 und ggf. 1 nehmen an welchem Meetings auf Flight Levels 3 teil um den Informationsfluss sicherzustellen?
 

Step #5: Go - just do it!

 
 
Fülle das in Step #4 erarbeitete Board initial mit Arbeit (Work Items). Und dann legt los: Führt die definierten Meetings durch und sammelt Praxiserfahrung!
 

Step #6: Verbessert Euch evolutionär!

 
 
Ganz wichtig: Seid auf eine Berg- und Talfahrt vorbereitet. Die Steps #1 bis #4 bauen meist eine steile Motivationskurve nach oben auf – aber dann schlägt der tägliche Arbeitsalltag zu:
 
  • Die Meetings werden als Add-on zum sowieso schon viel zu prall gefüllten Kalender empfunden.
  • Und was bringt uns eigentlich dieses Board mit (elektronischen) Zetteln? Das haben wir doch alles schon vorher gewusst, oder?
  • Und Verbesserungen sehen wir auch noch keine.
 
Das erste Tal ist erreicht… Was tun?
 
  • Disziplin ist Voraussetzung für den Erfolg: Führt die definierten Meetings durch und pflegt das Board!
  • Strebt Verbesserungen durch evolutionäre Veränderungen an: Nutzt die Meetings, vor allem die Retrospektiven, um Verbesserungen zu identifizieren und Maßnahmen in die Umsetzung zu bekommen. Beispiel: Welche (der viel zu vielen bilateralen) Meetings können wir streichen, weil diese durch konzentrierte Kommunikation in den Kanban-Meetings ersetzt werden? Was ändern wir konkret, um wirkliche Verbesserungen voranzutreiben?
  • Startet ab Tag 1 mit der Erfassung und Nutzung von Metriken, um Verbesserungen (und auch Rückschritte) objektiv messbar zu machen.
  • Sucht Euch einen Flight-Levels-Coach, dem Ihr vertraut. Er kann Euch wertvolle inhaltliche Impulse geben, schlüpft neutral in die Rolle des Facilitators und ist auch mal “Wadlbeisser”.
  • Gebt Euch selber Zeit – und Kanban und den Flight Levels eine echte Chance!
 

Step #7: Generiere Quick-Wins!

 
 
Versucht zeitnah erste konkret messbare Verbesserungen zu erzeugen. Das motiviert Euch selbst und alle Beteiligten. Nutzt das Erreichen dieser ersten Ziele und kommuniziert sie im Unternehmen, denn “Tue Gutes und sprich darüber!”
 

Step #8: Mach mehr davon: Evolution (oder auch mal Revolution)!

 
 
Jetzt kommt Ihr mit kleinen – und auch mal größeren – Schritten in die kontinuierliche Verbesserung. Reflektiert regelmäßig die Erreichung der Ziele aus Step #1: Wie weit sind wir schon? Macht es noch Sinn weiterzumachen? Oder haben inzwischen andere Probleme eine höhere Priorität?
 

FLIGHT LEVELS EINFÜHREN – MEIN TIPP:

Schaut auch über den Tellerrand der Levels! Wenn Ihr beispielsweise bei Flight Level 2 gestartet seid: Sind Stakeholder und Top Management reif für Flight Level 3? Fragen sie aktiv nach und “pullen” Flight Levels von Euch, weil sie begeistert sind, was schon erreicht wurde? Oder macht es Sinn auf Flight Levels 1 zu gehen? Durch die Arbeit auf Flight Levels 2 erlangt Ihr maximale Transparenz über Flight Level 1 und die Arbeit der Teams und Stärken und Schwächen werden erkennbar. Welche Teams brauchen Unterstützung?

 

Flight Levels einführen im Kontext von Change Management

 
 
Ziel des Flight-Levels-Ansatzes ist es, Probleme im Unternehmen zu erkennen, zu benennen, aktiv anzugehen und so das Geschäftsergebnis zu verbessern. Dafür ist meist Veränderung auf vielen verschiedenen Ebenen notwendig. Dieser Quick Start Guide orientiert sich deshalb an einem bewährten Change-Management-Modell des Harvard-Professors John P. Kotter: Der 8-stufige Prozess für erfolgreiche Veränderungsinitiativen hilft, Wandel erfolgreich zu gestalten und ein Scheitern von Transformationsprojekten zu vermeiden.
 

    1. Dringlichkeit aufzeigen – “Establishing a sense of urgency”
    2. Führungskoalition aufbauen – “Creating the Guiding Coalition”
    3. Vision und Strategie entwickeln – “Developing a Vision and Strategy”
    4. Die Vision kommunizieren – “Communicating the Change Vision”
    5. Empowerment auf breiter Basis – “Empowering Employees for Broad-Based Action”
    6. Generierung von Quick-Wins – “Generating Short-Term Wins”
    7. Erfolge konsolidieren und weitere Veränderungen ableiten – “Consolidating Gains and Producing More Change”
    8. Veränderungen in der Kultur verankern – “Anchoring New Approaches in the Culture”

 

LESETIPP:

Wenn Ihr mehr über dieses Change-Management-Modell erfahren möchtet, empfehle ich Euch John P. Kotters Buch “Leading Change”.

 
 

Fühlt Ihr Euch bereit für Flight Levels oder habt Ihr noch Fragen zu den einzelnen Schritten?

 

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