Das “New Normal” durch Corona: Hat “Agile” damit ausgedient oder ist das nun die ultimative Beweisprobe?

 

Die Corona-Krise hat gravierende Folgen für die deutsche, europäische und globale Wirtschaft. Ausgangssperren und Abstandsgebote haben zu immensen Umsatzeinbrüchen geführt. Der Geschäftsklimaindex des ifo-Instituts und der GFK-Konsumklimaindex sind auf ein Allzeittief gefallen. Man könnte sagen: Die VUCA-Welt hat voll zugeschlagen!

Um in solchen Situationen erfolgreich zu bleiben oder zu werden darf ich Kunden seit Jahren als “Agile Coach” begleiten. Werden “Agile Coaches” nun arbeitslos, weil “Agile” seine Versprechen nicht einlösen kann? Oder ist das Gegenteil der Fall und die Nachfrage wird sich weiter steigern?

 

Inhalt

Was ist das “New Normal”?

Braucht man “Agile” und “Agile Coaches” noch im “New Normal” durch Corona?

Alles gut also? “Agile” ist also auch hier der Schlüssel für “ewigen währenden Erfolg”? Mitnichten…

Wird das wieder weggehen und nur temporär sein?

Die “Agilen Frameworks” und auch die “Agile Coaches” sind deswegen gerade dabei sich selbst neu zu erfinden.

„So what?“ Eine kleine Zusammenfassung und Folgerung.

Und was denkst Du? Was ist Deine Meinung? Ich freue mich über eine kritisch-konstruktive Diskussion und Deine Beiträge!

Ausblick.

Food for thought

 

Was ist das “New Normal”?

Meine Kunden haben unterschiedlich auf Corona reagiert. Das “New Normal” ist ständig im Begriff sich Tag für Tag, Woche für Woche zu entwickeln.

 

Auf der einen Seite sind die “systemrelevanten Kunden” wie gewisse Bereiche der Medizintechnik und die Lebensmittelindustrie oder Industrien, die aufgrund der Abstandsgebote unmittelbar profitieren, wie der Onlinehandel. Sie erfahren durch die mit Corona verbundenen Maßnahmen eine teilweise immense Nachfragesteigerung und haben mit “Luxusproblemen” zu kämpfen wie sie das Wachstum bedienen können.

 

Auf der anderen Seite sind die Kunden, die von Coronanegativ” getroffen wurden, weil sie entweder nicht “systemrelevant” und/ oder ihre Geschäftsmodelle durch die mit Corona verbundenen Maßnahmen direkt betroffen waren (z.B. Vertrieb über Ladenhändler und wenig/ kein Onlinevertrieb, sinkende Nachfrage nach Luxusgütern etc.). Umsatzrückgänge, teilweise drastische Umsatzeinbrüche waren die Folge. Diese Kunden haben bis dato in zwei Phasen reagiert. In Phase 1 ab Anfang März bis Mitte April gab es zum einen Kunden, die sofort viele Programme und Projekte runtergefahren bzw. refokussiert haben. Andere Kunden gingen erst Mal nach dem Motto vor: “So schnell wie Corona gekommen ist, so schnell geht es auch wieder…wir machen erst Mal Remote weiter”. In Phase 2 ab Mitte April hat die letztere Kundengruppe erkannt, dass die Coronakrise längern dauern wird und ebenso mit Kostensenkungen und Refokussierung reagiert.

 

Beide Kundengruppen gleichermaßen betroffen haben die Ausgangssperren und das nach wie vor bestehende und noch andauernde Abstandsgebot. Wo möglich war Remotework/  Homeoffice angesagt, ist dies zum großen Teil noch immer und wird auf absehbare Zeit auch so bleiben.

 

Ich bin gespannt welche weiteren Phasen kommen werden. Meine persönliche Meinung zum Status mit Veröffentlichung dieses Blogartikels: Das Szenario “Corona V” der “Wirtschaftsweisen” mit einem schnellen Abfall und wieder Aufstieg der Wirtschaftsleistung ist jetzt schon unrealistisch. Wir befinden uns bereits mitten in einem “Corona U”-Szenario auf der Talsohle. Mit den Lockerungen ist ein leichter Aufwärtstrend erkennbar, der aber mit hohen Risiken verbunden ist (u.a. die Möglichkeit einer zweiten Infektionswelle).

 

Braucht man “Agile” und “Agile Coaches” noch im “New Normal” durch Corona?

Genauso wie das “New Normalvielschichtig ist, sehe ich auch die Antwort auf diese Frage vielschichtig. Und die Basis hierfür sind ganz klar die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse.

 

Die “systemrelevanten Kunden” haben als Herausforderung die immense Nachfrage und das Wachstum zu bedienen. Hier bieten Automatisierung, Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle einen riesigen Hebel. Die “Agile Skalierung” (SAFe, LeSS, Nexus, Scrum@Scale) wird hier wie bereits in der Zeit vor Corona vermutlich im Fokus stehen.

 

Die von Coronanegativgetroffenen Kunden stehen vor ganz anderen Herausforderungen: „Funktioniert unser bisheriges Geschäftsmodell überhaupt noch? Was sind die richtigen Hebel, wo müssen wir ansetzen? Und wie machen wir das am besten Schritt für Schritt? Da uns (teilweise) der Umsatz wegbricht müssen wir auch bei den Kosten sparen und fokussieren, aber wo und wie genau?“ Diese Fragestellungen kombiniert mit den Abstandsgeboten in Läden und am Arbeitsplatz wird den Fokus noch viel mehr auf die Themen Digitalisierung und OmniChannel lenken. Genau hierfür gemacht sind die kreativen “Agilen Methoden und Frameworks” Design Thinking, Business Model Generation, Lean Startup . Kombiniert mit Scrum und Kanban in der Umsetzung erlauben Sie ein systematisches Verproben von neuen Ideen ganz nah am Kunden.

 

Als “Problem Solver” und Experte für “Agile Methoden” kann ein “Agile Coach” hier bei der Auswahl und der Umsetzung der richtigen Werkzeuge ein kritischer Erfolgsfaktor sein.

 

Alles gut also? “Agile” ist also auch hier der Schlüssel für “ewigen währenden Erfolg”? Mitnichten…

Was als Herausforderung gleichermaßen für die oben beschriebenen “systemrelevanten” als auch die weiteren Kunden gilt, trifft mit voller Wucht auch die “Agile Coaches”: Ausgangssperren und Abstandsgebote lassen (nahezu) keinen direkten menschlichen Kontakt mehr zu.

Kritische Erfolgsfaktoren der Arbeit eines “Agile Coaches” als “Facilitator”, “Conflict Navigator” und “Collaboration Conductor” sind damit unmittelbar betroffen und faktisch nicht mehr möglich. Einige Beispiele:

  • das direkte Zusammensitzen von Teams in einem Raum (sog. Collocation),
  • die Durchführung von Events in Scrum und SAFe und LeSS (Sprint Planning, Sprint Review, Sprint Retro, PI-Planning, System Demo etc.) mit physischer Anwesenheit der Teams,
  • Die Nutzung von einfachen, analogen „Werkzeugen“ wie Post-its für z.B. Backlog Groomings,
  • Gemeinsame Workshops incl. Teambuilding um alle Stakeholder an einen Tisch zu bringen wie z.B. Design Thinking Workshops,
  • Persönliche Trainings.

Gemeinsame Ziele aller dieser Beispiele sind “Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation”, maximale Transparenz und Wissensvermittlung für alle Beteiligten.

All das ist in der „althergebrachten persönlichen“ Form durch die von Corona verursachten Ausgangssperren und Abstandsgebote nicht mehr möglich.

Wird das wieder weggehen und nur temporär sein?

Ich denke nicht. Zum einen ist eine komplette Aufhebung der Maßnahmen erst realistisch mit Verfügbarkeit eines Impfstoffs. Vorhersagen reichen von frühestens ab Ende 2020 bis Jahre in die Zukunft. Zum anderen hat sich gezeigt, dass viele Dinge, die man vorher als bedingt oder nicht möglich via Remotework/ Homeoffice angenommen hat, tatsächlich gut funktionieren.

Die “Agilen Frameworks” und auch die “Agile Coaches” sind deswegen gerade dabei sich selbst neu zu erfinden.

Manche mehr und schneller, manche weniger und langsamer. Eines ist aber klar: Die agile Community muss ihre eigenen Prinzipien und Praktiken leben und anwenden, sich selber “an der Nase packen”:  Mittels “Inspect & Adapt” kontinuierlich besser werden, Ideen verproben und validieren, mutige Experimente fahren. Das ist das Lebenselixier, sonst wird es sehr schwierig werden. Erste unmittelbare Experimente von Marktteilnehmern setzen auf OnlineTrainings bekannter Inhalte (statt physisch stattfindender Trainings), neue Trainingsangebote v.a. zur Vermittlung von Fähigkeiten Remotework zu gestalten sowie Remote(-Mini-) Coachings. Erste, gute, interessante und vielsprechende Ansätze. Das wird aber nicht ausreichen. Es wird mehr als das benötigen. Seien wir gespannt.

„So what?“ Eine kleine Zusammenfassung und Folgerung

Zusammenfassend bin ich der Meinung, dass „Agile“ und die „Agilen Frameworks“ einen sehr großen Mehrwert zur Bewältigung der CoronaPandemie liefern können. Man kann es auch als „Beweisprobe“ sehen, denn mehr „VUCA“ als jetzt ist kaum vorstellbar (zumindest momentan ?): „Agile“ muss jetzt liefern.

Die agile Community an sich befindet sich aber ebenso in einer herausfordernden Situation. Viele Erfolgsfaktoren der Vor-Coronazeit können so nicht mehr angewendet werden.

Agile“ muss sich selbst neu erfinden, um durch Corona und deren Auswirkungen nicht überholt zu werden!

Und was denkst Du? Was ist Deine Meinung? Ich freue mich über eine kritisch-konstruktive Diskussion und Deine Beiträge!

Ausblick

Bleib dran!

  • Remotework im Homeoffice ist in aller Munde. In den letzten Wochen und Monaten durfte ich viele Experimente und Ideen mit Kunden verproben. Auch gibt es bereits zahlreiche hervorragende Guides hierfür. Im nächsten Blogartikel berichte ich über meine eigenen Praxiserfahrungen und stelle eine „Parade“ der besten Guides zusammen.
  • Die Welt der „Agilen Frameworks“ und „Methoden“ wird immer umfangreicher. Für was kann ich welche „Agilen Frameworks“ brauchen, welche Probleme kann ich denn damit eigentlich lösen? Wie kann mir das bei der Bewältigung der CoronaPandemie helfen? Was zählt nun alles dazu und wie passen sie zusammen (Design Thinking, Business Model Generation, Lean Startup, Scrum, Kanban, SAFe, LeSS, Nexus, Scrum@Scale, Flight-Levels)? Antworten auf diese Fragen wird ein weiterer Blogartikel geben.

Food for thought

  • https://www.agilecoachinginstitute.com/
  • Lyssa Adkins: Coaching Agile Teams, 2010, Pearson Education
  • Veronika Kotrba, Ralph Miarka: Agile Teams lösungsfokussiert coachen, 2017, dpunkt.verlag
  • Was ein „Agiler Coach“ eigentlich macht…